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Frohe Pfingsten!

Erstellt von Pfarrer Dr. Winfrid Keller | |   Impulse

Kommentar zum Evangelium: Der Hauch des Geistes

„Danach hauchte er sie an und sprach: Empfangt heiligen Geist!“ Das ist eine andere Beschreibung des Pfingstgeschehens als es sich von der Apostelgeschichte her eingeprägt hat. Da ist kein Sturmesbrausen und sind keine Feuerzungen, kein Reden in fremden Sprachen und die Geistesgabe ereignet sich nicht am Pfingsttag, sondern am Osterabend. Denn in der „Verherrlichung Jesu“, in seinem Hingehen zum Vater durch den Tod hindurch ist im Evangelium des Johannes die Gabe des Geistes veranlasst. Das ist die Stunde, in der das Versprechen Jesu wahr werden kann, einen anderen Beistand zu senden. So hat es Jesus selber angekündigt: „Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll“ (Johannes 14, 16). Schon vorher heißt es: „Damit meinte er den Geist, den alle empfangen sollten, die an ihn glauben, denn der Geist war noch nicht gegeben, weil Jesus noch nicht verherrlicht war“ (7,38b. 39). Bedeutung und Wirkung des Geistes zeigen sich im Anhauchen der Jünger durch Jesus. Er tut dies so, wie Gott nach der älteren Schöpfungserzählung Adam anhaucht und ihm den Lebensodem in die Nase einbläst (Genesis 2, 7), so, wie nach der Prophezeiung des Propheten Ezechiel der Geist die Totengebeine anhaucht und lebendig werden lässt, damit das Gottesvolk neu ersteht (Ezechiel 37, 9).
Das durch Jesu Tod und Auferstehung erwirkte Geschenk des Gottesgeistes verleiht Lebendigkeit und baut das Gottesvolk auf. Die Vitalität, mit der die ersten Zeugen Jesu und seiner Auferweckung bald darauf den Glauben an ihn und sein Evangelium den Menschen neu verkündeten, kann uns in den Sinn kommen; ebenso die Tatsache, dass sich ausgerechnet in der Stadt, in der Jesus gekreuzigt wurde, sehr bald die erste Christengemeinde bildete, und die wahrlich rasante Ausbreitung des Evangeliums samt der Entstehung vieler Gemeinden.
Wir haben durchaus das Recht, die Weitergabe des Glaubens durch die Geschichte hindurch, die Einwurzelung christlicher Gemeinden in so vielen Völkern und auf allen Kontinenten, die Gestaltung und Formung des menschlichen Zusammenlebens und der Gesellschaften aus dem Evangelium heraus eben als unabweisbaren Hinweis für die Wirksamkeit des Geisthauchs zu verstehen. In unserer Situation, in der wir im Blick auf das kirchliche Leben viel Abbruch und Niedergang und die „Verdunstung des Glaubens“ erleben – das sollten wir nüchtern feststellen und nicht mit einem aufgesetzten Optimismus darüber hinwegsehen oder gar bestreiten – müssen und dürfen wir uns fragen, welche Botschaft dieses Pfingstevangelium für uns bereithält.
Eine vorschnelle und selbstsichere Antwort verbietet sich wohl. Vielleicht sind eben die Herzen vieler verschlossen – durch welche Mauern auch immer bedingt? Vielleicht verkünden wir als Kirche nicht wirklich das Eigentliche des Evangeliums, das die Herzen der Menschen erreichen könnte? Vielleicht will Gott eine andere Form der Kirche erstehen lassen, näher an dem, was Jesus und die ersten Gemeinden lebten? Vielleicht muss wirklich alles erst „den Bach hinunter“, damit Neues entstehen kann? Vielleicht soll die Kirche in anderen Kontinenten vital werden, um das Evangelium besser bezeugen zu können? Wer weiß die Antwort Unsere Zeit ist eher die Stunde der Fragen und weniger der Antworten! Es ist immer schon aufgefallen, dass Jesus alle Jünger – und Jüngerinnen – mit dem Geist anhaucht. Er ist nicht nur den Zwölfen, den Aposteln, den Amtsträgern gegeben, sondern allen in der Jüngergemeinde. Heißt das dann nicht, dass jede und jeder von uns Glaubenden – auch wenn wir die Antwort auf die oben gestellten Fragen nicht wissen – als vom Geist Erfüllte schlicht unseren Glauben leben und bezeugen sollen in der Hoffnung, dass dies seine Wirkung nicht verfehlen wird? Wobei Jesu Auftrag an die Jünger von diesen verlangt, in der Weitergabe des Glaubens und im Leben der Kirche den Menschen zuerst die Botschaft der Vergebung und der Barmherzigkeit zuzusagen.
(Quelle: Freiburger Sonntagshilfen, Autor: Pfarrer Dr. Winfrid Keller)

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