Ganz überraschend kam diese Nachricht nicht; Papst Benedikt war mit immerhin 95 Jahren zuletzt körperlich immer schwächer geworden. Sein Nachfolger Papst Franziskus hatte bereits am 28. Dezember zum Gebet für ihn aufgerufen. Bei allem, was man über den Menschen, Professor, Bischof, Kardinal und Papst Joseph Ratzinger sagen und schreiben kann – und da gibt es ja momentan aus allen Perspektiven viel (natürlich auch Kritisches) zu lesen und zu hören – war er der Papst meiner römischen Studienzeit (2006-2012), in der ich ihm immer wieder zumindest aus der Ferne begegnen durfte. Zahlreiche Ansprachen und Predigten – neben seinen zahlreichen theologischen Schriften – haben mir einen von Vernunft geprägten und trotzdem den ganzen Menschen mit all seinen Dimensionen erfassenden Glauben eröffnet.
So darf ich sehr dankbar sein, dass ich die Möglichkeit hatte, spontan nach Rom zu fahren, um persönlich Abschied zu nehmen und an den Begräbnisfeierlichkeiten teilzunehmen. Die kurze Zeit am aufgebahrten Leichnam im Petersdom hat für mich ein wichtiges Kapitel meines Lebens in gewisser Weise abgeschlossen; das schlichte und doch sehr würdige Requiem auf dem Petersplatz am 5. Januar – ich habe es als sehr angemessen und passend für Papst Benedikt empfunden – hat Perspektiven eröffnet: für ihn, den wir nun wieder dem barmherzigen Gott anvertrauen, aber auch für die ganze Kirche, der er einen großen Schatz hinterlassen hat, den man wohl erst in Jahren und Jahrzehnten erschließen kann. Die Atmosphäre beim Requiem war ruhig und gesammelt, die Menschen aus aller Welt – vor allem aus Deutschland – von Dankbarkeit erfüllt.
Ich bringe mit Joseph Ratzinger drei Eindrücke in Verbindung:
• Gelassenheit: Alle Herausforderungen seines Lebens, das nicht so verlief, wie er es geplant hatte, hat er in einer tiefen Ruhe, Freundlichkeit und Ausgeglichenheit annehmen und tragen können – im Bewusstsein seiner eigenen Begrenztheit, Schwäche und Sündhaftigkeit.
• Gottvertrauen: Ein Mann von herausragendem Intellekt hat eine fast schon kindliche Frömmigkeit an den Tag gelegt, die ihn bis in seine Todesstunde gestärkt hat.
• Klarheit: Für ihn war die christliche Botschaft in einem umfassenden Sinne wahr und tragfähig, und zwar nicht nur für ihn persönlich, sondern für die ganze Kirche, ja für die ganze Menschheit.
Bitten wir Gott, dass er seinen Diener Benedikt nun schauen lasse, was er im Leben verkündet hat.
Christoph Hartmüller, Pfarrer