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Wartezeit

Erstellt von Dr. Christoph Hartmüller, ltd. Pfarrer | |   Impulse

Warten gehört zum Leben dazu.

Immer wieder gibt es Wartezeiten. Dabei macht es allerdings einen großen Unterschied, ob ich weiß, wie lange ich noch warten muss – oder eben nicht. Wenn ich ratlos an der Haltestelle stehe und nicht weiß, wann der verspätete Bus kommt (und ob er überhaupt noch kommt), kann ich in dieser Wartezeit nichts Sinnvolles machen. Das ist oft ärgerlich. Glücklicherweise gibt es heute häufig eine Anzeigetafel an der Haltestelle oder eine App fürs Handy, die mir in „Echtzeit“ verrät, wann genau der Bus kommt. Wenn ich weiß, dass ich noch 10 Minuten habe, kann ich noch schnell eine Kleinigkeit erledigen.

Im Sonntagsevangelium (Mt 11,2-11) ist es Johannes der Täufer, der wartet, und auch er weiß nicht, wie lange. Er sitzt im Gefängnis und wartet auf das Kommen dessen, den er verkündet, dessen Weg er bereitet hat. „Bist du der, der kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“, lässt er Jesus fragen. Jesus macht seine Antwort an der Erfüllung der Verheißung der Propheten fest: „Blinde sehen wieder und Lahme gehen …“
Als Christen, ja als Menschen, warten wir darauf, dass endlich alle Blinden wieder sehen, alle Lahmen wieder gehen. Wir warten darauf, dass endlich Friede ist, dass niemand in Armut und Einsamkeit leben muss, niemand unter Gewalt und Unterdrückung leiden muss. Darauf warten wir – wie Johannes. Aber wir wissen eben nicht, wie lange. Es gibt keine Anzeigetafel und keine App, die uns die verbleibende Wartezeit anzeigt.
Diese unbestimmte Wartezeit gut zu nutzen, ist Aufgabe der Kirche. Genau genommen ist es ihre einzige Aufgabe. In der Kirche haben wir schon in der Wartezeit Kontakt zu unserem Erlöser, auf den wir warten. Deshalb muss die Wartezeit keine verschwendete Zeit sein.
Vielleicht kann deshalb auch die nächste unbestimmte Wartezeit gut genutzt werden: für ein Gebet zum Beispiel, für einen Gedanken an jemanden, für einen aufmerksamen Blick in die Umgebung, für eine kurze Nachricht über das Handy an jemanden, bei dem ich mich schon lange melden wollte, für einen Anruf … Dann beginnt im Kleinen schon etwas von dem, was wir erwarten: „Blinde sehen wieder und Lahme gehen … und den Armen wird das Evangelium verkündet.“ Es lohnt sich, darauf zu warten!

Einen gesegneten Sonntag „Gaudete“ mit erfüllter Wartezeit wünscht Ihnen
Ihr Pfarrer
Christoph Hartmüller


Bild: Peter Weidemann
In: Pfarrbriefservice.de

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